An der Universität Rostock arbeitet ein Team um Privatdozent Dr. Daniel Klüß an einer neuen Generation von Hüftimplantaten. Sie sollen künftig „mit Intelligenz ausgestattet sein“ und Energie erzeugen.
Obwohl künstliche Gelenke bereits viel haltbarer sind als früher, müssen sie doch nach einer gewissen Zeit ausgetauscht werden. Oft liegt das am Verschleiß des Implantats und an einer Überbeantspruchung des Ersatzgelenks. Daniel Klüß, Geschäftsführer und Inhaber der Innoproof GmbH, ist der Meinung, dass das Problem der Überbeanspruchung lösbar ist.
Im Sonderforschungsbereich (SFB) 1270 ELAINE der Universität Rostock werden elektrisch aktive Implantate entwickelt. Eine Frage, die die Forscher dort beschäftigt ist, wie man aus mechanischer Energie, die beim Laufen oder Gehen entsteht, elektrische Spannung gewinnen kann. Laut Klüß eine wichtige Voraussetzung dafür, das Hüftgelenk der Zukunft mit Intelligenz zu versehen.
Dafür wird die Hüftendoprothese mit Piezo-Keramik ausgestattet. „Im Labortest wird die mechanische Energie der Verformung des verwendeten Keramik-Materials in elektrische Energie umgewandelt. Diese Verformung der Keramik wird vom Patienten dann herbeigeführt, wenn dieser sein Implantat beispielsweise beim Gehen regelmäßig belastet. Die dadurch entstehende elektrische Energie wird gesammelt – im Fachjargon sprechen wir von Energy Harvesting – um damit Sensoren und elektrische Schaltungen im Implantat zu versorgen.“ Damit soll es zum Beispiel möglich sein, die Qualität des umgebenden Knochens zu messen und wie fest das Implantat noch im Knochen verankert ist.
Bis die Keramik in dem Hüftgelenkersatz tatsächlich irgendwann einmal Strom erzeugt, sind jedoch weitere Schritte nötig. So muss ein neues Implantatdesign entwickelt werden, in das die Keramik integriert werden kann, ohne dass es Probleme mit der Stabilität der Implantate gibt. Denn auch nach dieser Veränderung müssen die Implantate natürlich über Jahre halten und ihre Funktion zuverlässig erfüllen.
„Energieautarke, elektrisch aktive Implantate für intelligente Implantate zur Regeneration von Knochen und Knorpel und die Therapie von Bewegungsstörungen sind das zentrale Ziel von ELAINE. Unser interdisziplinäres Forschungsteam möchte mit neuen Erkenntnissen und Innovationen zu einer höheren Lebensqualität für Alt und Jung beitragen. Die Forschungsergebnisse von Daniel Klüß sind ein sehr schönes Beispiel für erfolgreiche interdisziplinäre Grundlagenforschung“, so die Sprecherin des Sonderforschungsbereichs Prof. Dr. Ursula van Rienen.
Parallel zu zahlreichen vielversprechenden Simulationen und Berechnungen für das intelligente Hüftgelenk laufen im Prüflabor von Innoproof mechanische Versuche. „Die Testnormen wurden auch im zweifachen Durchlauf bestanden“, so Klüß. „Mit der neuen Technik des Energy Harvesting gibt es jetzt auch eine Quelle von elektrischer Energie in der Hüftprothese.“
Im SFB ELAINE gehe es nun zunächst darum zu erforschen, wie diese Energiequelle auch als Sensor für Knochenqualität und Implantatlockerungen benutzt werden könne.Das neu entwickelte Diagnosesystem soll auch Auskunft über die Aktivitäten des Patienten geben. Ärzte können dann erkennen, ob durch körperliche Anstrengung das Implantat überlastet wurde oder ob der Patient sich zu wenig beweg hat. Klüß könnte sich auch vorstellen, dass die elektrische Energie genutzt wird, um das Knochenwachstum zu stimulieren. Ein wichtiger Punkt für Patienten, die bereits mehrere Hüftoperationen überstanden haben.
Für alle, die es wissen wollen
Anlässlich ihres 15-jährigen Jubiläums veranstalten die Interdisziplinäre Fakultät der Universität Rostock und die Hanse- und Universitätsstadt Rostock die neue Gesprächsreihe „Universität im Rathaus“. Sie richtet sich an „alle, die es einfach wissen wollen“. Inwiefern „Knochen unter Strom“ beziehungsweise elektrisch aktive Implantate helfen oder heilen können, diskutieren am 10. November 2022 ab 18 Uhr Prof. Ursula van Rienen sowie Prof. Rainer Bader vom Sonderforschungsbereich ELAINE mit Andreas Markschies von der Medizintechnik Rostock GmbH im Rostocker Rathaus. Der Eintritt ist frei.