Statt Blutproben-Kultivierung könnte ein neues NGS-Verfahren die Sepsis-Diagnostik nach wenigen Stunden ermöglichen. Daran arbeiten Forscher vom Fraunhofer IGB.
Sepsis ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die durch eine unkontrollierte Vermehrung von Krankheitserregern im Blut verursacht wird. Bakterien, Viren oder Parasiten sind die Ursache für die sogenannte Blutvergiftung, an der alleine in Deutschland etwa 60.000 Menschen pro Jahr sterben, Tendenz steigend. Mikrobiologische Nachweisverfahren mit herkömmlichen kulturbasierten Techniken dauern mehrere Tage und liefern oft falsch-negative Ergebnisse. Deshalb haben Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB ein diagnostisches Verfahren der Hochdurchsatzsequenzierung entwickelt, auch bekannt unter Next-Generation Sequencing (NGS), das mikrobielles Erbgut in einer Patientenblutprobe analysiert. Das Projekt wird unter anderem von der Dietmar Hopp Stiftung mit einer halben Mio. Euro unterstützt.
Nachweis von frei zirkulierender DNA im Blut
In der gängigen Praxis werden bisher die Blutproben der Patienten im Labor kultiviert und anschließend analysiert. Diese Prozedur dauert in der Regel zwei bis fünf Tage und liefert in nur 10 bis 30 Prozent der Fälle ein für den Arzt verwertbares Ergebnis. Ein weiterer Nachteil besteht in der Tatsache, dass sich einige Pathogene-Erreger nur unter besonderen Bedingungen kultivieren lassen. Unerkannte Infektionen führen dabei zu fatalen Folgen für den Patienten. Das Team vom Fraunhofer IGB will hier per Nanoporensequenzierung die Nachweismethoden grundlegend revolutionieren. Die Technologie weist zirkulierende freie DNA im Blut nach und ermöglicht eine fünf- bis sechsfach verbesserte Nachweisrate gegenüber konventionellen Verfahren.
Mittels diagnostischer Algorithmen erfolgt nach der Probenvorbereitung und Sequenzierung die bioinformatische Auswertung, die nach etwa 24 bis 30 Stunden verfügbar ist. Für die Sepsis-Diagnostik entwickeln die Forscher eine Plattform, die auch das Potential hat, andere Erkrankungen wie beispielsweise Endokarditis- oder Liquorinfektionen zu diagnostizieren. Darüber hinaus kann in einer einzigen Untersuchung nicht nur die Art des Erregers, sondern auch dessen Resistenzen gegenüber Antibiotika analysiert werden. Diese Informationen helfen dem Arzt, eine geeignete Therapie zu empfehlen.
Klinische Validierung läuft
Die klinische Validierung der Nanoporesequenzierung zur Sepsis-Diagnostik läuft derzeit in einer multizentrischen Studie, „nun testen wir unser Verfahren großflächig in der Klinik“, so Kai Sohn, Leiter des Innovationsfelds In-vitro-Diagnostik am Fraunhofer IGB. „Dabei werden 500 Patienten in 20 Kliniken untersucht. Praktisch alle wichtigen, in Deutschland ansässigen Anästhesiezentren sind daran beteiligt. Bemerkenswert ist dabei, dass die Studie einen so großen Zuspruch findet, dass wir alle Patienten schon jetzt, lange vor der geplanten Zeit, rekrutieren und so einen großen Vorsprung gewinnen konnten“.