Wie rasant sich die Forschung des 3D-Drucks entwickelt, zeigt das Bioprinting. Gewebekonstrukte können in kürzester Zeit und mit individuellen, komplexen Formen hergestellt werden.
An der Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) forschen Wissenschaftler um Damien Loterie zusammen mit Kollegen von der Universität Utrecht am sogenannten volumetrischen Bioprinting. „Im Gegensatz zum herkömmlichen Bioprinting – einem langsamen, schichtweisen Prozess – ist unsere Technik schnell und bietet größere Designfreiheit, ohne die Lebensfähigkeit der Zellen zu gefährden“, sagt Loterie. Sie nutzen energetisches Licht eines Lasers, um eine lichtempfindliche Gel-Matrix zu vernetzen, in der Stammzellen in einem Hydrogel gebündelt werden. Nach Ansicht der Wissenschaftler ebnet das volumetrische Bioprinting den Weg für die nächste Generation von Transplantaten aus dem Bio-Drucker. Außerdem betont der Leiter des Laboratory of Applied Photonic Devices der EPFL, Christophe Moser, „dass die Methode von Natur aus für die Massenfertigung skalierbar ist und so für die Herstellung von einer breiten Palette von Anwendungen eingesetzt werden kann.“ Langfristig planen die Forscher die Weiterentwicklung ihrer Technologie im Rahmen eines Spin-offs.
Bioprinting in Präzision und Hochspeed
Auch Forscher der TU Wien tragen mit einem hochauflösenden Bioprinting-Prozess mittels Zwei-Photonen-Polymerisation zur Weiterentwickelung bei. Mit dem Verfahren lassen sich lebende Zellen mit einer Druckgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde in Mikrometer-feine Strukturen einbetten. „Für die Zellforschung ist das ein wichtiger Schritt nach vorne“, sagt Aleksandr Ovsianikov, der das Forschungsteam mit Fokus in 3D-Druck und Biofertigung am Institut für Werkstoffwissenschaften und Werkstofftechnologien leitet. Aber auch in der industriellen Fertigung bietet das Verfahren große Potentiale. „Im Vergleich zu am Markt erhältlichen Systemen ermöglicht unser patentgeschützter Prozess einen bis zu 100-mal höheren Durchsatz und somit die wirtschaftliche Fertigung von Mikrostrukturen“, sagt Ovsianikov. Dieser Geschwindigkeitsvorteil in Kombination mit höchster Auflösung soll die Technologie langfristig im industriellen Umfeld etablieren. „Dabei sehen wir unsere Technologie als Ergänzung zu Mikrospritzgussverfahren, um noch kleinere oder komplexere Bauteile wirtschaftlich und reproduzierbar fertigen zu können“, so der Forscher. Das Drucksystem ist ein Laserlithographiesystem auf Basis der Zwei-Photonen-Polymerisation, ein seit Jahrzehnten bekanntes Prinzip, bei dem das verwendete Photopolymer nur im Fokuspunkt des Lichtstahls verfestigt wird. Dieser nicht-lineare Prozess ermöglicht die Herstellung von Strukturdetails im Nanometerbereich. „Um die Auflösung und Präzision der Technologie zu verdeutlichen, haben wir eine Burg auf der Spitze eines Bleistifts gedruckt – die Säulen der rechten Turmspitze haben einen Durchmesser von 950 nm und sind damit 100-mal dünner als ein menschliches Haar“, berichtet Ovsianikov. Seit September 2018 gibt es das Spin-off UpNano, das sich mit der Technologie langfristig als Systemanbieter im Bereich additive Fertigung im Markt etablieren soll.
Biotinte für den Gewebedruck
Einen anderen Ansatz verfolgt das Team um Kirsten Borchers vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Die Forscher wollen zerstörtes Gewebe durch biologisch-funktionelles Gewebe aus dem 3D-Drucker ersetzen. Dafür werden Biotinten aus natürlichen Materialien entwickelt, die den menschlichen Bedingungen sehr nahekommen. „Unser Ansatz ist, die aus dem Portfolio der Natur rekrutierten Biopolymere für die technische Verarbeitung zu optimieren“, sagt Borchers. Natürliche, biofunktionale Moleküle der Gewebematrix wie Gelatine, Heparin, Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat werden am IGB chemisch mit zusätzlichen Funktionen versehen. Realisieren konnten die Forscher bereits „Knochentinten“ und „Vaskularisierungstinten“.
Beide Biotinten sind Dispersionen aus Biomolekülen und gewebetypischen Zellen, die sich über Dispensierprozesse stabil in eine 3D-Struktur bringen lassen. Als Grundlage zur Einbettung von Knochenzellen verwenden die Wissenschaftler eine Mischung aus dem pulverförmigen Knochenmineral Hydroxylapatit und weiteren Biomolekülen. Die Vaskularisierungstinte bildet weiche Gele, in der sich Kapillarstrukturen etablieren. Ebenso wie bei der Knochentinte werden Biomoleküle mit gezielten chemischen Modifikationen verwendet. Während des volumetrischen Bioprintings sind die Biotinten fließfähig, die durch UV-Licht polymerisiert werden. Die Viskosität kann über ein Spektrum an einstellbaren Zuständen, durch vernetzbare Gruppen angepasst werden. Maskierte Acetylgruppen verhindern dagegen ein Polymerisieren. Zusätzlich werden Zellen, die Blutgefäße bilden, in die Tinte eingebracht. Die hinzugefügten Zellen sollen das Originalgewebe durch neu gebildetes Gewebe regenerieren. Ein weiteres Projekt – die Regeneration von Knorpel – ist bereits in Arbeit.