Wie kann der 3D-Druck in der Coronakrise helfen? Zahlreiche Akteure und Hersteller haben gezielte Unterstützungsinitiativen zur Produktion relevanter Bauteile gestartet.
Es gibt viele Covid-19-Initiativen, die momentan ins Leben gerufen werden. Besonders im Bereich des 3D-Drucks wird das Ziel verfolgt, medizinische Hilfsmittel wie Masken oder Bauteile für Beatmungsgeräte zu produzieren. Ein Übersicht von laufenden Projekten:
3D Hubs aus Amsterdam startet COVID-19 Manufacturing Fund
Die Online-Fertigungsplattform 3D Hubs aus Amsterdam hat beispielsweise kurzfristig den „COVID-19-Manufacturing Fund“ gestartet. So konnten über Crowdfunding bereits nach weniger als zwölf Stunden mehr als 16.000 Euro eingesammelt werden, die für die schnelle Herstellung wichtiger Produkte wie Schutzmasken und Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen. Dank des globalen Netzwerks von Fertigungspartnern mit Zugang zu verschiedenen Fertigungstechnologien wie 3D-Druck, Spritzguss und CNC-Bearbeitung ist 3D Hubs in der Lage, solchen Projekten Zugang zu einer praktisch unbegrenzten Fertigungskapazität zu bieten, die eine schnelle Produktion von Teilen ermöglicht.
3D Hubs hat sich zudem mit Make4Covid und der US-Universität Denver zusammengeschlossen, um bis zu 10.000 Gesichtsschutzschirme zu produzieren. Es werden Schlüsselkomponenten für den Prusa-Gesichtsschutz RC2 hergestellt, die direkt vor Ort in den Krankenhäusern Anwendung finden. Zudem kooperiert 3D Hubs mit Project Open Air, um die Kapazität der vorhandenen Beatmungsgeräte durch Splitter zu erhöhen. 3D Hubs appelliert an alle, die finanzielle Unterstützung zur Fertigung essentieller medizinischer Hilfsmittel im Kampf gegen COVID-19 benötigen, dass diese sich ab sofort für den 3D Hubs Manufacturing Fund bewerben können, um Projekte so schnell wie möglich in die Realität umzusetzen. Ebenso ruft das Unternehmen auf, mit Spenden den Fonds weiterhin zu unterstützen.
EU-Kommission sucht 3D-Druck Experten – auch Deutsche beteiligen sich
Darüber hinaus hat die EU-Kommission einen Aufruf in Regionen gestartet. Gesucht werden Unternehmen, Makerspaces oder Fablabs, die sich am 3D-Druck von Masken und Ventilatoren für Beatmungsgeräte beteiligen können. Wer helfen will, soll sich an Theresa Gerdes vom VDI/VDE Innovation + Technik GmbH wenden, zuständig für das Programm go-Cluster beim Bundeswirtschaftsministerium (theresa.gerdes(at)vdivde-it.de).
Erste Initiativen wurden hier bereits gestartet: So beteiligen sich Forschungseinrichtungen des Verbunds Dresden concept an der Initiative. „Innerhalb des DRESDEN-concept haben wir im Moment ungefähr zwanzig Drucker. Tendenz steigend, weil sich immer mehr Forschungseinrichtungen beteiligen und mitbekommen, dass so eine Aktion gestartet wurde“, berichtet Lukas Stepien vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff und Strahltechnik IWS. Normalerweise produzieren die 3D-Drucker in den Forschungseinrichtungen keine Medizinprodukte, sondern Bauteile für Experimente oder neuartige Materialien. Doch momentan sind die Forscher im Home-Office und viele der Geräte warten auf ihren nächsten Einsatz. So können sie nun dazu beitragen, Engpässe bei medizinischem Material in der Coronakrise zu entschärfen, so Stepien. „Neben mehreren Fraunhofer-Instituten beteiligen sich unter anderem auch Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft und der Technischen Universität Dresden an der Hilfsaktion und zahlreiche andere in Deutschland“, ergänzt Stepien. Die Resonanz auf den Aufruf der Europäischen Kommission sei so groß gewesen, dass die Hilfsangebote noch koordiniert werden müssten. In Dresden wäre man jedenfalls startklar. Die ersten Testdrucke seien schon gemacht worden: „Im Grunde geht es hauptsächlich um Kunststoffe. Im Moment sind konkrete Anfragen bei uns eingetroffen zu Halterungen für Gesichtsschilder. Da ist der Bedarf im Moment, der hier vorherrscht.“
Neben den Halterungen können die Forscher ebenso Atemschutzmasken, Maskenhalter oder Bauteile für Beatmungsmaschinen drucken. Druckvorlagen sind im Netz frei verfügbar. 3D-Druck-Enthusiasten auf der ganzen Welt sind hochmotiviert zu helfen und Open-Source-Dateien kostenlos zur Verfügung zu stellen. So kann praktisch jeder mit einem 3D-Drucker sich beteiligen. Die Tests in Dresden hätten gezeigt, dass pro Gerät täglich etwa 15 Ventile für Beatmungsmaschinen hergestellt werden könnten. Diese Verfahren sind jedoch nur für den Sofortgebrauch geeignet, denn normalerweise sind konventionelle Herstellungsverfahren wie Spritzguss effizienter.
Cecimo koordiniert COVID-19-Initiativen
Cecimo, als Europäischer Verband für Werkzeugmaschinenbau und ähnliche Fertigungstechnologien, einschließlich der additiven Fertigung, hat bereits mit einem "Call to action" von Cecimo-Mitgliedern positives Feedback bei der Koordinierung von COVID-19-Initiativen bekommen. Deshalb hat Cecimo entschieden, den "Call to action" für alle Unternehmen zu erweitern, um möglichst schnell Krankenhäuser in Not zu unterstützen. Mit Hilfe eines Formblattes können sich Firmen beteiligen. So hat bereits das italienische Start-up Isinnova den hauseigenen Drucker für medizinische Ventile zur Verfügung gestellt. "Ich glaube, dass der Produktionssektor einen wichtigen Beitrag für die Unterstützung von Fachpersonal in Krankenhäusern in diesem Notstand darstellt", sagt Filip Geerts von Cecimo. "Jedoch müssen regulatorische Angelegenheiten geklärt werden, um möglichst schnell voranzukommen und keine Verzögerungen bei sofortigen Handlungen zu bewirken."
Lokaler Support durch Start-ups
Des Weiteren gibt es auch auf lokaler Ebene immer wieder Aktionen, in denen sich Experten zur Seite stehen. Beispielsweise hat das Gründerteam Next3D der Universität Leipzig per 3D-Druck Desinfektionsmittelflaschen-Kappen und Proberöhrchen für einen Corona-Schnelltest gedruckt.
Siemens öffnet 3D-Druck-Plattform
Auch große Konzerne wie Siemens stellen ihr Know-how im Bereich 3D-Druck zur Verfügung.
Der deutsche Konzern stellt seine 3D-Druck-Plattform Additive Manufacturing Network (AM Network) zur Bewältigung der Corona-Krise zur Verfügung und schließt seine Anlagen an, um bei Bedarf und Eignung benötigte Komponenten zu drucken. Unter Dauerbenutzung kommt es bei medizintechnischen und medizinischen Geräten zu Verschleiß, so dass Teile ersetzt werden müssen. Ziel der Initiative von Siemens ist es, einen schnellen und unkomplizierten 3D-Druck von Ersatzteilen wie Ventilatoren zu ermöglichen. Das AM Network verbindet Nutzer, Designer und 3D-Drucker. Das weltweit verfügbare Netzwerk deckt dabei die gesamte Wertschöpfungskette ab – von Upload und Simulation über die Prüfung der Designs bis hin zu Druck und Service. Ärzte, Krankenhäuser und Organisationen, die medizinische und medizintechnische Teile benötigen, können sich ab sofort kostenlos beim AM Network anmelden. Gleiches gilt für Designer und Service-Provider mit Druckerkapazitäten, die für Medizinanwendungen zertifiziert sind. „In den letzten Jahren haben wir ein umfassendes Portfolio für den Bereich Additive Manufacturing entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufgebaut und sind jetzt in der Lage, benötigte Komponenten schnell mit 3D-Druck herzustellen. Zur Unterstützung im Kampf gegen Covid-19 haben wir jetzt unser Additive Manufacturing Network geöffnet für Krankenhäuser und Gesundheitsorganisationen, die dringend medizinische Ersatzteile benötigen. So können deren Design- und Druckanfragen schnell und effizient bearbeitet werden“, sagte Klaus Helmrich, Mitglied des Vorstands der Siemens AG und CEO von Siemens Digital Industries. Auch Designer und Ingenieure der Siemens AG sind über das AM Network für Designanfragen verfügbar und helfen, diese in druckbare Dateien umzuwandeln.
Österreichische Technologieplattform AM Austria bietet koordinierten Zugang zu Ressourcen
Die österreichische Technologieplattform AM Austria bietet einen koordinierten Zugang zu den lokalen Ressourcen und Kompetenzen der Vereinsmitglieder an. Der Schwerpunkt des Angebots liegt in der Vermittlung im Bereich der Ersatzteilbeschaffung für biomedizinische Produkte und Geräte und umfasst verschiedene Hilfestellungen:
- Koordination der Anfragen.
- Zugang zum Netzwerk der AM Austria, bestehend aus Geräte- und Materialherstellern, Anwendern und Dienstleistern für additive Fertigung, CAD-Konstrukteuren und Spezialisten für die Auswahl geeigneter 3D-Druck-Technologien.
- Vermessung von existierenden und eventuell defekten Bauteilen.
- Erzeugung von CAD-Daten entsprechend den bereitgestellten Bauteilen. Diese CAD-Daten sind essenziell, um auf verschiedenen Plattformen Teile drucken zu können.
- Auswahl und Bereitstellung verschiedener Materialien. Beratung für Einsetzbarkeit in spezifischen Anwendungen (regulatorische Fragen).
- Bereitstellung von 3D-Druck-Kapazitäten, inklusive Nachbearbeitung von Bauteilen.
- Abschätzung von Lieferzeiten und realisierbaren Seriengrößen.
Um zeitnah und professionell helfen zu können, bittet der Non-Profit-Verein um konkrete Anfragen mit folgenden Mindestangaben:
- Ansprechpartner der anfragenden Organisation
- Kurze und konkrete Beschreibung des Problems
- Bereitstellung von Fotos und/oder Musterteilen, die gedruckt werden sollen
- Informationen über benötigte Stückzahlen und erforderliche Lieferzeiten
Spectaris: Hilfsangebote mit Medtech-Firmen abstimmen
Jedoch betont der Vorsitzende der Medizintechnik von Spectaris, Martin Leonhard, „Eine große Herausforderung ist das schnelle Verständnis der besonderen Anforderungen der Medizintechnik. Diese Kenntnisse können klassische Medizintechnik-Unternehmen grundsätzlich gut vermitteln. Daher empfehlen wir dringend, die Hilfsangebote eng mit der breit aufgestellten deutschen Medizintechnik-Industrie abzustimmen.“ Denn die Qualitäts- und Sicherheitsstandards sollen eingehalten werden. „Am Intensivbett des Patienten darf die gute Absicht keinesfalls nach hinten losgehen“, mahnt Leonhard. Spectaris steht dabei als Brückenbauer zwischen Medizintechnikindustrie und anderen Industriebereichen bereit.
Newsplattform schafft Überblick zu 3D-Druck-Initiativen
Auch viele internationale Firmen und Netzwerke haben sich bereit erklärt, in der Coronakrise zu helfen. Weitere Initiativen können hier fortlaufend nachgelesen werden: 3druck.com/coronavirus/