Von Medizinrobotik bis Wearables, von Digital Health bis MDR – die MEDICA 2019 hat für Medtech-Firmen reichlich Gesprächsstoff geliefert. Ein Kurzüberblick.
Mit Blick auf das Messeprogramm blieb dem Besucher die Qual der Wahl: MDR, Cybersicherheit, Digital Health, Wearables oder Robotik – bei 5.500 Ausstellern in 17 Messehallen wurde das gesamte Spektrum der Medizintechnik abgedeckt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des neuen Digitale Versorgung-Gesetzes waren vor allem die Foren zum Thema Digitalisierung stark frequentiert, etwa das MEDICA Health IT-Forum sowie das MEDICA Connected Healthcare Forum. Auch im Ausstellungsbereich ging es vielerorts um neue digitale Lösungen. Insbesondere asiatische Unternehmen präsentierten ihr Know-how auf dem Gebiet.
Asien mit starker Präsenz
Eine starke Präsenz zeigte unter anderem Taiwan, das mit Vertretern aus mehr als 250 Unternehmen angereist war und 16 Aussteller auf dem Gemeinschaftsstand präsentierte. Fünf Firmen wurden dem Fachpublikum eigens auf einer Pressekonferenz vorgestellt: Ob künstliche Intelligenz in der Bildgebung (aetherAI), VR-basierte Anwendungen (HTC Healthcare & DeepQ), smarte Brillen für die minimal-invasive Chirurgie (Taiwan Main Orthopaedic Biotechnology Co.), Videodokumentation von medizinischen Eingriffen (Fasmedo Medical) oder IoT-Anwendungen im Krankenhaus (Advantech) – viele Technologien bieten vielversprechende Erleichterungen im medizinischen Alltag und einige der Firmen sind bereits dabei, mit deutschen Herstellern gemeinsame Projekte aufzusetzen.
Dass sich asiatische Innovationen durchsetzen können, demonstrierte auch das Team von SynPhNe aus Singapur. Es entschied den Kampf um die beste Health-App-Lösung bei der 8. MEDICA App Competition für sich. Die Entwicklung: eine vernetzte und tragbare Lösung, die im Rahmen einer Mobilisationstherapie gleichermaßen Gehirn und Muskeln trainiert. Das trägt dazu bei, die funktionelle Unabhängigkeit von Menschen mit Einschränkungen etwa nach einem Schlaganfall oder Verletzungen zu verbessern.
Tragbare Devices im Kommen
Ein eigener Messebereich wurde in diesem Jahr den Wearables gewidmet. 40 Aussteller zeigten in der von MT Wearables Technology organisierten Sonderschau unterschiedlichste Anwendungen für tragbare Medizinprodukte, die bei der Therapie von chronischen Krankheiten, in der Rehabilitation, der mobilen Überwachung von Patienten sowie im Bereich Sport & Fitness zum Einsatz kommen können.
Die Kineto Tech Rehab aus Bukarest stellte etwa das System REFLEX vor. Es ermöglicht eine Physiotherapie auch ohne die physische Anwesenheit des Trainers. Bewegungssensoren tracken und dokumentieren die Bewegungsabläufe des Patienten und übermitteln diese Daten an den zuständigen Therapeuten. Die Moio GmbH aus Fürth wiederum präsentierte ein intelligentes Pflegepflaster. Getragen wird das kleine und modern designte Sensormodul unauffällig am unteren Rücken und misst von dort aus kontinuierlich relevante Daten, die bei Bedarf an die moio.cloud weitergegeben werden. Die belgische Firma Quad Industries, ein Spezialist für gedruckte Elektronikteile, hat sich zum Ziel gesetzt, eine schonende und effektive Fußbewegung zu ermöglichen. Dafür haben Quad Industries und die holländische Firma ATO-gear gemeinsam eine Schuhsohle mit integrierter Kamera entwickelt, die den Untergrund und die Fußhaltung analysiert. Aus der Schweiz war das Forschungszentrum CSEM vor Ort. Die Sensorik-Spezialisten aus Neuenburg sind bekannt für ihre ausgefeilten Technologien und zahlreichen Spin-offs. Zuletzt hatte die Übernahme der Biovotion Schlagzeilen gemacht. Auf der MEDICA war das Team von Aktiia dabei. Die Firma hat ein Armband entwickelt, das dank optischer Sensoren eine kontinuierliche Blutdruckmessung ermöglicht. Ein Schnittstellensystem, mit dem viele unterschiedliche Devices an krankenhausinterne Systeme angeschlossen werden können, entwickelt wiederum das Start-up Leitwert.
Für einige Zulieferer – etwa Covestro – war die Wearables und Start-up Area auf der MEDICA auch Grund genug, mit einem zweiten Stand im themenbezogenen Bereich in Halle 13 Präsenz zu zeigen. „Hier finden wir deutlich stärker unsere Kunden, als allein auf der Compamed“, sagt Karine Benbeleid, bei Covestro für das globale Marketing der Medizintechnik zuständig.
Medizin-Robotik mit wachsender Bedeutung
Das Zukunftsthema Medizin-Robotik spielte auf der diesjährigen MEDICA ebenfalls eine große Rolle und soll künftig in die Aussteller-Produktkategorien aufgenommen werden, damit Anbieter wie Kuka, Aktormed, Intelligent Motion oder auch Stryker schneller von den Besuchern zu finden sind. Kuka präsentierte auf der MEDICA die Teams seines Innovation Awards (hier alles über die Preisverleihung). Die Aktormed GmbH aus Barbingen wiederum betont, dass trotz neuester Roboterentwicklungen der „Faktor Mensch“ ein zentrales Element im Geschehen bleibe und es darauf ankomme, Mediziner mit der Technik optimal zu unterstützen. „Unsere roboterunterstützten Assistenzsysteme ermöglichen es dem Chirurgen, minimal-invasive Operationen mit hoher Präzision und größtmöglicher Entlastung zu leisten“, so Aktormed-Geschäftsführer Robert Geiger. (siehe Robotik-Spezial aus dem aktuellen medtech zwo-Magazin „Willkommen, Roboter!")
Verbände informieren über regulatorische Anforderungen
Für die Industrieverbände Spectaris und ZVEI war die MEDICA eine wichtige Plattformen, um sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich MDR und sonstige regulatorische Anforderungen auszutauschen. Für Jörg Mayer, Geschäftsführer des Deutschen Industrieverbandes Spectaris, ist die Messe daher nach wie vor einer der wichtigsten Termine im Jahr. Gemeinsam mit ZVEI organisierte Spectaris das MEDICA TECH FORUM in Halle 12, das sich unter anderem mit Fragestellungen rund um internationale Marktzugänge und regulatorische Anforderungen für Medizintechnik auseinandersetzte und von den Besuchern gut angenommen wurde. Die Ländermärkte China und Russland standen hierbei besonders im Blickpunkt, aber auch zur MDR gab es zahlreiche Vorträge. Experten der Beratungsgesellschaft NSF Prosystem GmbH beleuchteten insbesondere das Thema klinische Studien und mahnten an, dass der bislang übliche Weg von Vergleichsdaten mit der MDR in den meisten Fällen nicht mehr gangbar ist. „Sie werden nicht umhin kommen, klinisch relevante Daten selbst sammeln zu müssen“, sagte Geschäftsführer Oliver Christ.
Theodor Doll vom Fraunhofer ITEM wiederum stellte das neue EU-Netzwerk MDOT vor. Damit sollen Medizintechnikunternehmen mit Blick auf die MDR entlastet werden. Mit einem Förderbudget von 8,3 Mio. Euro wird innerhalb von fünf Jahren anhand von drei Beispieltechnologien in den Bereichen Inhalatoren, neuronale Implantate und Hüftersatz-Beschichtungen eine Plattform entwickelt, die insbesondere KMUs bei der Konformitätsbewertung ihrer Medizinprodukte unterstützt. Aktuell bauen 13 Kernpartner diese Plattform auf. Sie soll unter anderem automatisierte Verfahren zur Konformitätsbewertung und den europaweiten Zugang zu technischen und klinischen Daten ermöglichen.
Leitfaden zur Cybersicherheit
Die von ZVEI gegründete Allianz für Cybersicherheit und der Expertenkreis Cybermed stellten auf der MEDICA ihre neue Empfehlung für Hersteller und Betreiber von Medizinprodukten vor: den Leitfaden zur optimalen Verwendung des „Manufacturer Disclosure Statement for Medical Device Security“ (MDS2) (Hier beim ZVEI zum Herunterladen). „Der Leitfaden trägt dazu bei, dass Hersteller und Anwender von Medizinprodukten durch das MDS2 sicherheitsrelevante Informationen einfach austauschen können“, betonte Hans-Peter Bursig vom ZVEI-Fachverband Elektromedizinische Technik. Das MDS2 richtet sich ausdrücklich auch an Hersteller von Medizinprodukten. Diesen wird damit ermöglicht, Informationen zu (cyber-) sicherheitsrelevanten Merkmalen und Funktionen ihrer Produkte in strukturierter Form an die Betreiber zu übermitteln. „Diese Informationen sind für die Anwender besonders wichtig, um neue Medizinprodukte reibungslos in das bestehende Cybersicherheitskonzept der eigenen Einrichtung zu integrieren“, so Bursig.
Rolle der MEDICA als Messe: Präsenz zählt mehr als Umsatz
Zahlreiche Länder und Regionen haben ebenfalls die MEDICA genutzt, um ihre Kompetenzen herauszustellen. Den großen nationalen und internationalen Gemeinschaftsbeteiligungen wurde in diesem Jahr mehr Platz in den Hallen 15 bis 17 eingeräumt. Aus Deutschland waren die Bundesländer Berlin-Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit großen Flächen vertreten. Der MedicalMountains Cluster aus Tuttlingen hatte seine Mitglieder in einer Vor-Ort-Umfrage dazu befragt, wie die Messebeteiligung angenommen wird. Fazit: Die Mehrheit will auch bei der MEDICA 2020 wieder als Aussteller an Bord sein. Allerdings gehe „es mehr um Präsenz und Begegnungen, weniger um Umsatz und Verkauf.“ Dieser findet inzwischen eher an anderen Orten statt: Messen wie der Arab Health und der China International Medical Equipment Fair wird inzwischen eine wachsende Bedeutung beigemessen, ebenso den vielen Fachkongressen.