Bislang können DiGA-Hersteller den Preis ihrer App im ersten Jahr selbst festlegen, Krankenkassen haben auf Höchstpreise gedrängt. Nun hat ein Schiedsgericht einen Kompromiss festgelegt.
Nachdem nun die ersten 25 Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen für den Markt zugelassen wurden und von den Krankenkassen erstattet werden, läuft die Debatte um die Höhe der Preise. Bislang konnten Hersteller den Preis für ihre App auf Rezept im ersten Jahr der Erstattung selbst festlegen. Die gesetzlichen Krankenkassen wiederum haben von Beginn an auf gedeckelte Preise, also Höchstpreise, gedrängt.
Monatelange Verhandlungen enden mit Kompromiss
Nach langen Monaten der Verhandlungen zwischen GKV und Herstellerverbänden haben letztere nun am 15. Dezember der Kompromiss vorgestellt, den eine Schiedsstelle festgelegt hat. Demnach werden Höchstpreise kommen, aber es gibt Dynamiken in der Preisfestlegung, Schwellenwerte und Ausnahmen. Trotzdem fällt das Urteil der Herstellerseite erstmal ernüchternd aus: „Wir wollten keine Höchstpreise, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt und halten auch diese Rahmenvereinbarung insgesamt nicht für notwendig“, sagte Pia Maier vom Bundesverband Internetmedizin bei einer Infoveranstaltung zur Kompromisslösung am 15. Dezember. Gleichzeitig betonte sie aber auch: „So ist das in der Selbstverwaltung, keine Seite setzt sich komplett durch. Daher der Kompromiss. Einige Punkte konnten wir zumindest hineinverhandeln.“
Hoffnung, dass kein „Monster“ erschaffen wurde
Adras Idris, Vorstandsmitglied beim Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung, konnte dem bei der Infoveranstaltung nur beipflichten. Man habe zwei Jahr lang wöchentliche oder zweiwöchentliche Meetings gehabt, so Idris: „Daran sieht man, wie hart wir gerungen haben.“ Nun müsse man schauen, ob sich die Vereinbarung zu einem „Monster“ entwickle oder ob damit der Weg bereitet wurde für eine gute Versorgung. Laut Britta Marquardt vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) ist man jedoch zufrieden, dass wenigstens eine eigene Regelung für die DiGA erreicht wurde. „Dieses Verständnis war bei der GKV zu Beginn der Verhandlungen nicht vorhanden. Diese Sensibilisierung ist nun aber gelungen“, sagte sie bei der Infoveranstaltung.
Kein Höchstpreis für alle
Zunächst einmal gilt: den einen Höchstpreis für DiGA wird es nicht geben. Wie Pia Maier bei der Vorstellung der neuen Rahmenvereinbarung mitteilte, werden alle DiGA künftig einer von 17 Indikationsgruppen (entsprechend ihrem dreistelligen ICD-10-GM) zugeordnet. Im zweiten Zuordnungsschritt wird innerhalb jeder Indikationsgruppe unterteilt zwischen medizinischem Nutzen und dem Nachweis für pSVV. Es können also maximal 34 Gruppen entstehen, innerhalb derer ein Preis nach einer Formel basierend auf tatsächlichen Tagespreisen und – bei mehr als vier DiGA je Gruppe – dem 80%-Quantil berechnet wird. Der Höchstpreis einer App ist dann erreicht, wenn 80% der anderen App-Preise in der jeweiligen Gruppe günstiger sind und 20% darüber liegen.
Darüber hinaus sind die ersten 2000 Verschreibungen vom Höchstpreis befreit. Ab 10.000 Verschreibungen im ersten Jahr gilt ein weiterer Abschlag von 25% auf den gruppenspezifischen Höchstpreis. Außerdem wurde eine Dynamik integriert, um anpassbar zu bleiben: Alle halbe Jahre soll es eine Neuberechnung der Höchstpreise geben. Die Gruppenbildung gilt nur dann, wenn es mehr als zwei endgültige aufgenommene DiGA für eine jeweilige Indikation gibt. Für eine einzelne DiGA in Erprobung in einer Indikation wird noch kein Höchstwert berechnet. Umfasst eine DiGA mehrere Indikationen kann gesondert abgewogen werden, in welche Gruppe sie fällt.
Ausnahmen für KI und Seltene Erkrankungen
Ausnahmen gibt es für Apps, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten oder Seltene Erkrankungen adressieren. Diese werden einer gesonderten Auffanggruppe zugeordnet, für die eigene Regeln der Preisfestsetzung gelten werden. Insgesamt wird es damit – zusammen mit den Indikationsgruppen – 34 DiGA-Gruppen geben.
Umgesetzt werden sollen die Regelungen durch eine sogenannten Gemeinsame Schiedsstelle, in der vier Vertreter sitzen werden – je zwei aus der GVK sowie zwei von den Herstellerverbänden. Darüber hinaus sollen Fachgremien geschaffen werden, in denen ebenfalls Vertreter der Herstellerverbände aktiv sind.
Nach Inkrafttreten des Schiedsspruchs werden die neuen Regelungen zu Höchstbeträgen und Schwellenwerten in die schon publizierte Rahmenvereinbarung integriert und auf den Internetseiten der Schiedsstelle veröffentlicht. Es wird für den 17. Dezember mit der Veröffentlichung gerechnet. Bevor die ersten Höchstbeträge berechnet werden, müssen zunächst die Gruppen vergleichbarer DiGA gebildet werden. Dazu werden die Hersteller der bereits gelisteten DiGA von der gemeinsamen Stelle (ansässig beim GKV-SV) aufgefordert, die Zuordnung ihrer DiGA zu einer bestimmten Gruppe oder einem Ausnahmetatbestand vorzunehmen und zu begründen. Sollte die Bildung der gemeinsamen Stelle und die Bildung der Gruppen frühestmöglich im Januar 2022 abgeschlossen sein, wäre der erste Berechnungsstichtag der 1. Februar 2022 und der erste Geltungsstichtag der 1. August.2022. Erfolgt die Gruppenbildung erst später, verschiebt sich der Zeitplan entsprechend. Danach erfolgen die Aktualisierungen regelhaft zum 1. April und 1. Oktober eines jeden Jahres.
Die Aufzeichnung der Infoveranstaltung der Herstellerverbände finden Sie auch bei Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=VaJI9F38trE
Die finale Rahmenvereinbarung nach Abschluss des Verfahrens wird unter schiedsstelle.de veröffentlicht.