Mehr als 50 Start-ups hatten die Chance, sich auf der T4M in Stuttgart einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Das Konzept der Gründer-Meile mitten in der Halle ging auf.
Man konnte sie nicht übersehen, wenn man die T4M betrat: Die Start-up World zog sich wie eine pinke Meile durch die Mitte der Halle 9 des Stuttgarter Messegeländes, flankiert wurden die täglich wechselnden jungen Firmen von Ausstellern aus allen Bereichen der Medizintechnikwertschöpfungskette. „Der Erfahrungsaustausch zwischen den alten Hasen der Industrie und den jungen Gründern war groß , es wurde viel diskutiert und Anregungen zu Produkten gegeben“, bilanziert Sandra Wirsching, bei medtech zwo Projektleiterin für T4M Start-up World. „Wir freuen uns besonders, dass auch einige konkrete Partnerschaften zwischen Start-ups und etablierten Unternehmen initiiert werden konnten.“
An allen drei Messetagen konnten Besucher und Aussteller Innovationen von insgesamt über 50 Start-ups begutachten. Die Bandbreite reichte dabei von neuen Fertigungstechniken, Klinikinnovationen und Diagnostik-Tools über Wearables, Apps und Innovationen für Pflege und Homecare. Für Aufmerksamkeit sorgten die kurzweiligen Start-up Präsentationen am Vormittag auf der Pitching-Stage. In 5minütigen Vorträgen stellten die Gründer ihre Ideen vor einer Fachjury aus Investoren, Clustermanagern und Akademikern vor und sorgten damit für reichlich Gesprächsstoff unter den Jury-Mitgliedern und dem Publikum. Am Ende der beiden Pitch-Sessions wurde täglich das „Start-up of the Day“ gekürt.
Tag 1: Diagnostik und Innovationen in der Klinik
Tag eins der Messe widmete sich Start-ups aus den Bereichen Diagnostik und medizinischer Bildgebung, sowie neuen medizintechnischen Lösungen in der Klinik. Darunter waren beispielsweise Schrauben aus sterilisiertem humanem Knochenmaterial der österreichischen surgebright. „Unser Ansatz ist bislang einzigartig. Wir bauen auf die Biointelligenz des Knochens“, erläutert Lukas Pastl von surgebright. „Unsere Shark-Screw-Produkte werden vom defekten oder kranken Knochen erkannt und sofort integriert. Das erspart eine zweite Operation zur Metallentfernung.“ Nun will das Unternehmen seine Implantate weltweit zur Verfügung stellen. Birgit Möllentin von der Spontech GmbH wiederum stellte am ersten Tag ihre Software vor, mit der Wirbelsäulenoperationen vor der OP optimal geplant werden können, um die individuelle Wirbelsäulengeometrie wieder herzustellen. „Die Start-up World war ein voller Erfolg für mich. Ich habe viel neuen Input erhalten und mich mit wichtigen Akteuren vernetzt“, freut sich die Gründerin. Bei den Jury-Mitgliedern des ersten Tages – darunter Anke Caßing vom High-Tech Gründerfonds und Professor Thomas Kern vom TIMed Forschungszentrums der FH Oberösterreich – punktete die Verapido Medical GmbH, die mit einem neuen Gerät die intradermale Verabreichung von Medikamenten vereinfachen will. „Unser Alleinstellungsmerkmale ist ein spitzer Kanülenwinkel, ein langer Einstichkanal, weniger Leckage und bis zu zehnmal größere Injektionsvolumina“, erläutert Firmengründer Markus Clemenz.
Tag 2: Fokus auf Produktionstechnik und Materialien
Tag zwei vereinte Start-ups aus dem Bereich der Produktionstechnologien. Dazu gehörten unter anderem additive Fertigungstechnologien, wie der 3D-Drucker des Münchener Start-ups Kumovis, mit dem das Hochleistungspolymer PEEK in einem integrierten Reinraum gedruckt werden kann und die als „Start-up of the Day“ von der Jury ausgezeichnet wurden. Vorgestellt wurden aber auch Software-Lösungen auf Basis von künstlicher Intelligenz und Wearables, die die Produktion erleichtern. Das Karlsruher Start-up Kinemic hat zum Beispiel ein Band entwickelt, mit dem digitale Geräte berührungslos und aus der Ferne bedient werden können. Frederik Kotz von Glassomer präsentierte mit seinem Team ein Nanokomposit, das wie ein gewöhnlicher Kunststoff bearbeitet werden kann und neue Strukturen aus Glas ermöglicht. Auch die Gründer der Firma Munditia Technologies hatten eine erfolgreiche Messe: Mit ihrer Entwicklung, einer physikalisch wirkenden antimikrobiellen Hygienebeschichtung, konnten sie die Jury überzeugen und den Titel "Start-up of the Day gewinnen". Der Vorteil ihres Ansatz: Die Beschichtung ist biozidfrei und kann auf beliebigen Oberflächen angewendet werden.
Ebenfalls zufrieden war Thilo Heffner von Efficiency Systems. Er präsentierte am zweiten Messetag sein Produkt Smart Shopfloor, mit dem Betriebsdaten von Medizingeräten und Anlagen in Echtzeit ausgewertet und über einen Web-Browser auf dem Smartphone von überall angezeigt werden können. „Smart Shopfloor wird bereits in anderen Branchen angewendet, um Gerätedaten von zuhause aus abrufbar zu machen. Nun möchte ich vermehrt in der Medizintechnik-Branche aktiv werden. Die T4M war eine tolle Gelegenheit, um hier Fuß zu fassen“, so Heffner. Das System signalisiert beispielsweise, wann Wartungsarbeiten fällig sind oder Ersatzteile bestellt werden müssen.
Tag 3: Digitale Lösungen im Blick
Am dritten Tag der Messe wurde es digital. Insgesamt 21 Start-ups präsentierten digitale Lösungen für die Medizin. Darunter waren unter anderem neue Anwendungen von Virtual und Augmented Reality und Apps, mit der die Reha und Pflege erleichtert werden sollen. „Ein großer Vorteil von Apps ist die Motivationssteigerung, die man beim Patienten erzielt“, sagt Caroline Lutz von Gut Feeling. Mit ihrer Coaching-App sollen Menschen mit Verdauungs- und Stoffwechselstörungen bei der Änderung ihres Lebensstils unterstützt werden. Dass digitale Lösungen manchmal in ganz simplen Dingen stecken, zeigte Lukas Liedke von der Kamedi GmbH. Er hat den heat_it Stick entwickelt, der wie ein USB-Stick in das Smartphone gesteckt wird und durch Hitze Insektenstiche behandelt. „Das Wirkprinzip der Hyperthermie ist gut erforscht und bereits in kommerziellen Produkten erhältlich. Allerdings sind sie meistens unhandlich und immer wenn man sie braucht, sind sie nicht zur Hand“, so Liedke. Noch in diesem Jahr will der Gründer eine Crowdinvesting-Kampagne starten, um seinen Stick auf den Markt zu bringen. Auf der Messe konnte er sich mit Herstellern vernetzen, die sein Medizinprodukt herstellen können.
Claudiu Leverenz von munevo war ebenfalls mit der T4M zufrieden. Der Gründer aus München hat eine neuartige Brille – die Smartglass – entwickelt, mit der Rollstuhlfahrer durch einfache Kopfbewegungen den Rollstuhl steuern können und sorgte damit auf den Gängen der Messe immer wieder für Aufmerksamkeit. „Wir haben bereits eine erste Finanzierungsrunde abgeschlossen und sind bereits mit einigen Produkten auf dem Markt, die von der Krankenkasse erstattet wurden“, berichtet Leverenz. „Nun starten wir eine zweite Runde, um den Vertrieb auszuweiten, Kooperationen mit Sanitätshäusern zu schließen und die Smartglass möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen." Sowohl Kamedi als auch munevo wurden an Tag 3 für die „Start-up of the Day“-Auszeichnung ausgewählt.