Als erstes Unternehmen weltweit hat die AOT AG eine chirurgische Roboterplattform entwickelt, mit der Knochen mittels sogenannter kalter Laserablation geschnitten werden. Die CE-Kennzeichnung ist für dieses Jahr geplant.
Kürzere Krankenhausaufenthalte, effektivere Operationen, weniger Schmerzen und kürzere Regenerationszeiten für die Patienten sowie Erleichterungen für den operierenden Arzt – die Liste der Vorteile von robotergestützten Chirurgiesystemen ist lang. Das Team der Schweizer Firma Advanced Osteotomy Tools AG (AOT) absolvierte erfolgreich die klinische First-in-Man-Studie des Gerätes CARLO® (Cold Ablation Robot-guided Laser Osteotome), welches die Säge im Operationssaal ersetzt.
Kernelemente sind ein 3D-Planungs- und Navigationssystem, ein ergonomischer Handling-Roboter sowie ein neuartiges Lasertrennverfahren mitsamt sehr genauer Echtzeit-Tiefenkontrolle. Nach acht Jahren Entwicklung und diversen Vortests fand im Juni die letzte Operation im Rahmen der First-in-Man-Studie des Gerätes statt. Die sogenannte Laserosteotomie wurde an insgesamt 28 Patienten im Rahmen einer klinischen Studie am Universitätsspital Basel, der Medizinischen Universität Wien sowie dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf angewandt. Mit dem Abschluss der klinischen Studie strebt AOT noch für dieses Jahr eine CE-Kennzeichnung an. Die FDA-Einreichung des De Novo-Verfahrens soll Anfang 2021 erfolgen. „Mit diesem First-in-Man-Einsatz eines Systems, das den gesamten Ablauf des Eingriffs digitalisiert, untermauert das Universitätsspital Basel seinen Anspruch in der Digitalisierung der Medizin ganz vorne mitzuspielen“, so Spitaldirektor Werner Kübler.
Kontaktfreies, präzises Schneiden
Entwickelt und hergestellt wurde der Roboter von der im Jahr 2010 gegründeten AOT. Philipp Jürgens gehört zu den Gründungsvätern der Firma und beschäftigt sich schon seit etwa 20 Jahren mit der Laserchirurgie bei Knochen: „Bei CARLO ist es gelungen, eine so kleine Laserquelle zu entwickeln, die im Laserkopf Platz hat, aber genug Leistung bringt, um Hartgewebe zu abladieren.“ Zudem arbeitet CARLO kontaktfrei mit einem Laser. „Aus der Sicherheitsperspektive heraus erlaubt das ein Reagieren in Lichtgeschwindigkeit. Gleichzeitig können wir extrem präzise schneiden“, betont Jürgens. Gesteuert wird der Chirurgieroboter von einem Computer, mit dem sich die OP vorab planen lässt, bei Bedarf auch auf Basis von Computertomographien. Der einarmige CARLO führt den Schnitt unter Aufsicht des Chirurgen mittels kalter Laserablation selbstständig durch. „Mit dem Laser können zudem sehr exakte geometrische Strukturen geschnitten werden, die manuell nicht realisierbar sind, aber ohne das vorher etablierte Verfahren und den Ablauf der Operation zu ändern“, sagt Cyrill Bätscher, Geschäftsführer der AOT.
Einsatzgebiete der Lasertechnologie
Im Juli 2019 wurde CARLO® zum ersten Mal im Rahmen einer transoralen Mittelgesichtsosteotomie erfolgreich eingesetzt. Diese Operation war auch gleichzeitig der Auftakt der klinischen First-in-Man-Studie. Bereits die vorläufige Bilanz ist beeindruckend: Dank der frei definierbaren Schnittmuster werden alternative Operationstechniken möglich, welche die Knochenstrukturen schonen und den Heilungsprozess beschleunigen. Neben der Gesichtschirurgie testet AOT ebenso bereits weitere Anwendungsgebiete für die CARLO®-Technologie, beispielsweise in der Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie. Auch die technische Entwicklung wird vorangetrieben: Performantere Laser, das Schneiden von Hautgewebe oder der Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Echtzeit-Analyse von krankem und gesundem Knochengewebe noch während des Knochenschneidens sind Teil der aktuellen Forschungs- und Entwicklungsschwerpunkte.
Keine Reinigung nötig
Langfristig erlaubt das ganz neue Schnittgeometrien und OP-Techniken, die früher gar nicht denkbar waren: Wellenlinien, Zickzackmuster, Kurven, S-Formen oder puzzleförmige Teile. Die Umsetzung der Vorabplanung der Operation braucht nun auch keine teuren zusätzlichen Schnittlehren mehr und wird durch die Software und den Roboter genau und kontaktfrei umgesetzt. Dabei hat CARLO auch ganz praktische Vorteile, denn für den Schnitt sind keine Instrumente mehr nötig, die gereinigt, kontrolliert, gewartet und steril verpackt werden müssen.
Kooperation und Finanzierung
Die Schweizer AOT AG arbeitet mit der Augsburger KUKA AG zusammen und nutzt für den medizinischen Einsatz den zertifizierten LBR med Roboterarm. „Wir gehen davon aus, dass das klinische Interesse an dieser innovativen Plattform nach der Freigabe für den kommerziellen Vertrieb in den kommenden Monaten groß sein wird“, so CEO Bätscher. Finanziert wird AOT unter anderem durch die Tübinger SHS Beteiligungsgesellschaft. 2014 wurde eine Serie B über mehrere Millionen Franken abgeschlossen, an der auch Business Angels aus der Schweiz sowie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) beteiligt waren. Zuletzt wurde 2016 eine Serie C-Finanzierungrunde in Höhe von 11,5 Mio. CHF durchgeführt. Hierbei konnte die AOT AG weitere Investoren wie die Aesculap AG gewinnen.