Das schwedische Unternehmen Sandvik enwickelt Titanpulver für den medizinischen 3D-Druck. In der Schweiz gibt es eine Kooperation mit dem Swiss M4M Center.
Lebensbedrohliche Unfälle, Wirbelsäulenschäden, chronische osteopathische Erkrankungen und Nebenwirkungen medizinischer Behandlungen können Patienten irreparable Schäden zufügen. Entwickler medizinischer Implantate benötigen daher eine Fertigungstechnologie, die Geschwindigkeit, Individualisierung und die Fähigkeit zur Herstellung komplexer Designs bietet. Der 3D-Druck, gekoppelt mit biokompatiblen Materialien wie Titan, demonstriert sein offensichtliches Potential als bevorzugte Fertigungstechnologie der medizinischen Industrie für lebensverändernde Lösungen.
Maßgeschneiderte Implantate mit Titanpulver
In der Vergangenheit haben Chirurgen Metallgewebe verwendet, um Körperteile wie Schädelknochen zu ersetzen, aber diese waren eher schwach und boten nicht genügend Präzision. Nach Ansicht von 3D-Druck-Experten wie Sandvik aus Schweden eliminiert die additive Fertigung (AM) diese Probleme, da sie die medizinische Bildgebung verwendet, um ein maßgeschneidertes Implantat zu erstellen, das genau nach den anatomischen Daten des Patienten geformt wird. Dies bedeutet, dass Patienten eine exakte Übereinstimmung für den verlorenen oder beschädigten Bereich des Schädels erhalten. In Sandviken, Schweden, ist eine der modernsten Titanpulver-Anlagen der Welt angesiedelt. Hier erforschen die Experten von Sandvik das Potential 3D-gedruckter Titanteile für die medizinische Industrie. Im Sommer 2020 hat die Fertigungsanlage die medizinische Zertifizierung nach ISO 13485:2016 für ihre Osprey®-Titanpulver erhalten.
„Titan, 3D-Druck und die Medizintechnik passen perfekt zusammen“, erklärt Harald Kissel, Leiter F&E bei Sandvik Additive Manufacturing. „Titan hat hervorragende Eigenschaften und es ist eines der wenigen Metalle, die vom menschlichen Körper akzeptiert werden, während 3D-Druck schnell maßgeschneiderte Ergebnisse für eine Branche liefern kann, in der Geschwindigkeit den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann.“
Zusätzlich zu den Materialvorteilen von Titan kann AM einige der Probleme lösen, die sich bei der Herstellung medizinischer Implantate und Prothesen stellen. Typischerweise sind für das Anpassen einer Prothese mehrere Besuche erforderlich, um ein Teil zu erhalten, das genau auf den Patienten und seine speziellen Bedürfnissen zugeschnitten ist. Dies kann dazu führen, dass zwischen einer lebensverändernden Operation und dem Erhalt der Prothese viel Zeit vergeht.
„Wenn ein Patient einen schweren Unfall gehabt hat, bei dem Körperteile wie Schädel oder Wirbelsäule irreparabel zerstört wurden, haben Chirurgen oft einfach nicht die Zeit, um sicherzustellen, dass die verwendeten rekonstruktiven Implantate auch genau passen. Anstelle dessen erhalten sie Lösungen, die zwar funktionieren, aber nicht auf den Körper des Patienten zugeschnitten sind“, erklärt Kissel. “Lange Wartezeiten und ein Mangel an Anpassung können großen Einfluss darauf haben, wie Patienten sich fühlen, nachdem sie sich einer lebensverändernden Operation unterwerfen mussten. Noch heute, im Jahr 2020, gibt es Patienten mit Prothesen, die sich nicht bewegen oder einfach nur Haken sind.“ Doch diese Herausforderungen können angegangen werden, wie Kissel betont. „Über Computertomographie ist es jetzt möglich, Designs zu optimieren, die mit anderen Fertigungsmethoden einfach nicht hergestellt werden konnten. Darüber hinaus können wir unsere Designs leichter machen, mit weniger Materialabfall und kürzeren Lieferzeiten. Patienten könnten in kürzester Zeit eine perfekt passende Prothese aus einem leichten und leistungsstarken Material erhalten.“
Sandvik beim Swiss M4M Center beteiligt
Aktuell kooperiert Sandvik auch mit Forschungspartnern – etwa in der Schweiz. Das Swiss M4M Center ist eine von der Schweizer Regierung initiierte öffentlich-private Partnerschaft mit dem Ziel, den medizinischen 3D-Druck so weiterzuentwickeln, dass patientenspezifische, innovative Implantate schnell und kostengünstig entwickelt und hergestellt werden können. „Das Swiss M4M Center soll dazu dienen, eine End-to-End-Produktionslinie für medizinische Anwendungen wie Implantate aufzubauen und zu zertifizieren. Wir fühlen uns geehrt, diese Initiative durch die einzigartigen Materialkenntnisse unterstützen zu können, über die Sandvik verfügt. Mit einer Vielzahl von Experten zusammenzuarbeiten, um die Zukunft von Medizinprodukten aktiv mitzugestalten und das Leben Tausender von Menschen zu verbessern, ist ein außergewöhnliches Erlebnis“, fasst Kissel zusammen. Das Swiss M4M Center wurde 2019 ins Leben gerufen und wurde von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa initiiert.