Pfizer Healthcare Hub
Welchen Herausforderungen stehen Start-ups im Medizintechnikbereich gegenüber?
Gründen ist immer eine Herausforderung. Das deutsche Gesundheitswesen ist sehr stark reguliert – eine Vielzahl von Regelungen und Gesetzen muss beachtet werden. Sich hier zurechtzufinden, ist für Gründer eine große Herausforderung. Für E-Health-Start-ups ist die erste große Hürde die rechtliche Einordnung der digitalen Anwendung. Ist meine App ein Medizinprodukt oder nicht? Vor dieser Frage standen wir bei der Gründung von 'Jourvie' auch. Die sogenannte Zweckbestimmung der App ist zentral für diese grundlegende Entscheidung. Man muss sich also genau überlegen, was die App genau machen soll. Informiert sie oder wertet sie beispielsweise festgehaltene Symptome aus, um eine Art Diagnose zu stellen? Bei letzterem ist sie höchstwahrscheinlich als Medizinprodukt zu klassifizieren, was weitere Anforderungen mit sich bringt. Datenschutz ist ein weiteres wichtiges Thema. Wenn es zum Beispiel um die Nutzung von Patientendaten durch Apps oder Wearables geht, sind unter anderem die Regelungen der EU-DSGVO elementar. Darüber hinaus gilt es, im deutschen Gesundheitswesen Besonderheiten wie das Heilmittelwerbegesetz oder Regelungen zur Erstattungsfähigkeit durch Krankenkassen zu beachten.
Mit der neuen MDR wird es Healthcare-Start-ups nicht unbedingt leicht gemacht. Wagen Sie
einen Blick in die Zukunft, wie wird sich die Szene entwickeln? Welche Maßnahmen sind
nötig?
Die neue Regelung hat das Ziel, einen höheren Standard zu implementieren und damit die Sicherheit der Patienten zu erhöhen. Die Umstellung bringt viele Änderungen für Medizinprodukte-Hersteller mit sich, was auch mit größeren Investitionen verbunden sein wird. Für Start-ups bedeutet das, dass sie sich frühzeitig mit dieser neuen Regelung auseinandersetzen sollten, um bestmöglich vorbereitet zu sein. Wichtige Fragen sind hier: Welcher Aufwand kommt auf uns zu? Wie lange brauchen wir dafür? Welche Kompetenzen muss ich gegebenenfalls zusätzlich an Bord holen? Mit Blick auf die Zukunft wird es in meinen Augen für Start-ups mit Software-Lösungen noch schwieriger, eine CE-Kennzeichnung für Medizinprodukte zu erhalten. Ich finde es wichtig, dass die neuen Anforderungen die Innovationskraft nicht bremsen – besonders, wenn sich die neue Regelung als große Hürde für die kleinen, innovativen Unternehmen erweist.
Welche Richtlinien zur Zulassung in den ersten Gesundheitsmarkt gibt es? Wie wollen Sie mit dem Pfizer Healthcare Hub helfen, den Markteintritt zu erleichtern?
Das Ziel vieler Healthcare-Start-ups ist der erste, erstattungsfähige Gesundheitsmarkt. Das ist ein oft langer Weg. Die Erstattungsfähigkeit setzt meist langwierige Studien voraus, denn Innovationen müssen für Krankenkassen einen medizinischen oder ökonomischen Nutzennachweis erbringen. Vor allem für Gründer, die nicht aus dem Gesundheitswesen stammen, sind die Anforderungen der Krankenkassen oft nur schwer zu durchschauen. Mit unseren regelmäßig stattfindenden Start-up-Sprechstunden wollen wir Gründer aus dem Bereich Digital Health bei diesen und anderen Themen unterstützen. Experten von Pfizer oder aus unserem Umfeld teilen bei diesen Veranstaltungen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit den Start-ups. Die rege Teilnahme bestärkt uns darin, dass wir hier den Bedarf der Gründer treffen.
Warum wurde Ihr Hub ins Leben gerufen?
Unser Ziel war es von Anfang an, in enger Zusammenarbeit mit Gründerteams digitale Lösungen zu entwickeln, die eine sinnvolle Ergänzung zu unseren Therapien darstellen. Das Besondere am Pfizer Healthcare Hub: Uns ist es wichtig, Start-ups und Gründerteams im Bereich Digital Health durch Austausch und Vernetzung zu fördern. Wir sind weder ein Accelerator noch ein Inkubator. Wir sind ein Partner, der Start-ups durch Kollaboration und ein globales Netzwerk bei ihren Herausforderungen hilft – das ist ganz individuell und reicht von Mentorings durch das Pfizer-Expertennetzwerk über Büroräume bis hin zu Sales-Partnerschaften. Dem Modell des Berliner Hubs folgen mittlerweile weitere Pfizer Healthcare Hubs, zum Beispiel in London, Stockholm und Sydney. Und auch in Deutschland haben wir an unserem Produktionsstandort in Freiburg einen weiteren Hub gegründet. Der Freiburger Hub ist für uns eine Innovationsplattform, der Life Science- und Technologie-Themen verbindet. So können wir heute thematisch noch breiter mit Start-ups zusammenarbeiten und sie beraten.
Eine Erfolgsgeschichte des Hubs ist das dänische Start-up Cortrium. Wie fing alles an?
Wir haben Cortrium über unsere Start-up-Sprechstunde kennengelernt und beidseitig schnell
erkannt, dass eine Zusammenarbeit sinnvoll ist. Das kleine Gerät der Firma kann Vitalfunktionen wie
Blutdruck oder Herzfrequenz einfach und bequem messen, die Daten werden per Bluetooth auf
ein mobiles Endgerät übertragen. Vorhofflimmern – ein mögliches Anzeichen für einen späteren
Schlaganfall – kann so frühzeitig erkannt werden. Inzwischen stellt ein spezialisierter
Außendienst von Pfizer das Gerät bei Kardiologen vor, Cortrium hat so den Einstieg in den
deutschen Markt geschafft.

Aktiv in: Start-up-Förderung Start: 2014 Standort: Berlin |